Independencia

KI-Tools in der Züchtung:

Die perfekte Paprika im Blick.

Künstliche Intelligenz (KI) bietet für viele Bereiche der Pflanzenzüchtung große Potenziale. Wie KI-basierte Anwendungen Züchter bei ihrer Arbeit unterstützen können, zeigen zum Beispiel laufende Projekte für den jungen KWS Geschäftsbereich Gemüse.

Dr. Carlos Duque Afonso | Senior Scientist Data Capture & Automation

Die richtige Form, die richtige Farbe, der richtige Geschmack – wenn es um die Züchtung von Paprikapflanzen geht, spielen die subjektiven Vorlieben der Endkunden eine wichtige Rolle. Darin unterscheidet sich die Paprikazüchtung – wie die Gemüsezüchtung allgemein – von anderen KWS Segmenten, in denen vor allem Ertrag und Resistenzen im Fokus stehen. Bevor die Züchter mit der Entwicklung einer neuen Sorte beginnen, definieren sie deshalb gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem Produktmanagement und dem Vertrieb klare Anforderungen, welche die Wünsche der Endverbraucher widerspiegeln.

Mehr und bessere Daten für die Züchtung
Um zu überprüfen, ob beispielsweise Paprikasorten aus dem Züchtungsprogramm die definierten Kriterien erfüllen, entnehmen Mitarbeiter den Versuchsparzellen stichprobenartig Früchte und bestimmen – abhängig von der jeweiligen Sorte – Eigenschaften wie Gewicht, Form, Größe, Farbe oder die Dicke des Fruchtfleischs. Bei diesem Prozess, Phänotypisierung genannt, werden sie in Zukunft von künstlicher Intelligenz unterstützt: In aktuellen Projekten entwickeln Datenwissenschaftler von KWS KI-basierte Anwendungen, die Früchte verschiedener Gemüsesorten anhand von Fotos automatisiert vermessen und analysieren. Dr. Carlos Duque Afonso, der am Projekt zur Phänotypisierung von Paprika mitwirkt, erklärt: „KI ermöglicht es der App, eine prinzipiell unbegrenzte Zahl von Früchten in einem Bild zu identifizieren. Diese können anschließend mithilfe konventioneller Bildanalyse exakt vermessen werden. Dadurch sinkt der manuelle Arbeitsaufwand, vor allem aber steigen Menge und Qualität der Daten, die unsere Züchter erhalten.“

Das Tool katalogisiert die in einem Bild erkannten Früchte und ordnet sie über ein ID-Tag einem spezifischen Versuch zu. Eine Farbkarte dient zur Farbkalibrierung.

Paprikas erkennen lernen

Im Gegensatz zu anderen Anwendungen wendet KI nicht einfach vorgegebene Verfahrensweisen auf ein Problem an, sondern erschließt eigenständig Regeln, mit denen sich Aufgaben eines bestimmten Typs lösen lassen. Dafür muss sie jedoch mit Beispieldaten „trainiert“ werden. „Wir nutzen für das Training Fotos, in denen die einzelnen Früchte und die Stiele farblich gekennzeichnet sind. Die KI analysiert diese Musterlösungen und lernt so schrittweise, Paprikafrüchte korrekt zu erkennen“, schildert Duque Afonso.

Eine Herausforderung für das Projektteam besteht in der großen Vielfalt von Paprikatypen, die KWS züchtet. Während die Software für einige Typen bereits zuverlässige und exakte Ergebnisse liefert, erfordern andere weiteres Training. „Künstliche Intelligenz lernt in vieler Hinsicht wie wir Menschen: Sie muss eine Variation zunächst viele Male gesehen haben, bevor sie sie zuverlässig erkennen kann.“ Bis 2025 soll die Anwendung betriebsbereit sein und an den Züchtungsstationen umfassend in der Praxis getestet werden.

Innovative Tools für die Gemüsezüchtung

KWS ist seit 2019 im Bereich Gemüsesaatgut aktiv. Um die eigenen Züchtungsaktivitäten aufzubauen, wurde in den vergangenen Jahren ein Netzwerk von Züchtungs- und Forschungsstandorten in Europa und Lateinamerika errichtet. Zudem investiert das Unternehmen in innovative Technologien, die die Züchter bei ihrer Arbeit unterstützen. Im digitalen Bereich zählen dazu neben der Anwendung zur Phänotypisierung von Paprika zum Beispiel auch vergleichbare Tools für Gurke, Tomate, Melone, Wassermelone und Bohnen. „Künstliche Intelligenz ist kein Ersatz für menschliches Know-how“, so Carlos Duque Afonso. „Aber sie kann Züchtern helfen, ihre Entscheidungen auf einer breiteren Informationsbasis zu treffen, und so die Züchtung innovativer Sorten beschleunigen. Davon profitieren am Ende unsere Kunden.“

KWS Background

Digitale Phänotypisierung

Die Unterscheidung von Genotyp und Phänotyp gehen auf Wilhelm Johannsen (1911) zurück. Der Genotyp ist die Summe der von den Eltern ererbten Eigenschaften. Sie definieren maßgeblich den Phänotyp einer Pflanze, der aber zusätzlich noch von Umweltbedingungen modifiziert wird. Der Blick ins Genom liefert den Züchtern viele wichtige Informationen über einzelne Pflanzenlinien. Er reicht aber bei Weitem nicht aus, um züchterische Entscheidungen zu treffen. Die Eigenschaften einer Linie müssen seit jeher auch im Feld begutachtet werden. Dafür sind viel züchterische Erfahrung und Zeit notwendig. Hinzu kommt, dass es Merkmale gibt, die mit dem bloßen Auge nicht oder nur sehr schwer zu erkennen sind.

Während genomische Werkzeuge weithin, über die Kulturarten hinweg verfügbar sind, sieht die Situation im Bereich Phänomik anders aus. KWS investiert deshalb in die Entwicklung neuer Technologien, um bestimmte Merkmale von Pflanzen automatisch zu erfassen. Eine gesteigerte Objektivität und Genauigkeit bei der Phänotypisierung kann in Kombination mit genomischen Werkzeugen den Züchtungsprozess signifikant verbessern.